HAUS

Claus Marteau war Schauspieler, Regisseur, Intellektueller und Visionär der ersten Stunde eines europäischen Gedankens auf kultureller Basis. Gebrandmarkt durch die Absurdität eines Weltkriegs, der sogar seine eigenen Familienmitglieder im Elsass zu Feinden erklärt hatte, entwickelt er Ende der Sechziger Jahre die Idee einer Spielstätte, deren Bühne über Grenzen hinweg Theatermacher:innen als Ort kreativer Begegnung dient und das Erleben von Weltbürgerschaft etablieren möchte.

Zusammen mit seiner Frau, der Tänzerin Gisela Pflugradt, gründet er 1969 das „Theater Central“ in der Kantine eines Bonner Kaufhauses. Das aus Raumnot geborene Zimmertheater erhebt das Ehepaar zur eigenen Kunstform, die es bis heute beibehalten hat, weil es dem Publikum durch die Nähe zum Bühnengeschehen ein intensives Theatererlebnis ermöglicht. Nach wechselnden Spielstätten im Nachtlokal „Der Igel“ und der Buchhandlung „Montanus“ zieht das „Euro Theater Central“ schließlich 1972 in ein denkmalgeschütztes Gründerzeithaus am Münsterplatz ein. Fast 50 Jahre bleibt der Theaterbetrieb mit der zum Programm erklärten Namenserweiterung „Euro Theater Central“ im Mauspfad.

Marteau ist von Autoren und humanistischen Denkern aus Frankreich geprägt, darunter u.a. Corneille und Jean-Paul Sartre. Mit dem „Club Voltaire“ in der zweiten Etage schafft Claus Marteau nicht nur einen physischen Raum für literarische Gesprächskreise. Die Anlehnung an den Namen des Pariser Aufklärers zeugt von Marteaus Anliegen wie der Philosoph vorurteilsfrei und skeptisch reflektieren zu wollen, aber auch, dass wertschätzender Dialog der Schlüssel zu Verständnis und der Grundstein für Konfliktlösung sei.

1974 zeigt Claus Marteau, dass sich Tief- und Frohsinn für ihn nicht ausschließen. In Hommage auf das Rheinland mit seinen Karnevalstraditionen ruft er die Vergabe des „Mäuseorden“ für Verdienste um Kultur und Brauchtum in Bonn ins Leben. Inzwischen handelt es sich dabei um eine gemeinschaftliche Auszeichnung des Festausschusses „Bonner Karneval“ sowie der Theater „Haus der Springmaus“ und „Euro Theater Central“. In jedem Jahr erhalten den Mäuseorden je eine Persönlichkeit aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sowie eine aus Kabarett, Karneval und Kunst. Preisträger u.a.: Hans-Dietrich Genscher, Johannes Rau, Willy Millowitsch, Konrad Beikircher, Bernd Stelter, Anka Zink, Norbert Alich und das Beethoven Orchester Bonn.

Nach plötzlichem Tod des Theaterleiters im Jahr 1995 übernimmt Gisela Pflugradt die Federführung des „Euro Theater Central“. Bereits 1962 wird sie als junge Tänzerin am Bonner Stadttheater verpflichtet und 1981 steigt sie als Assistentin des Ballettdirektors ein. Sie wird 1990 zur stellvertretenden Ballettdirektorin der Oper Bonn berufen. Die ganze Zeit über ist sie stets parallel auch im „Euro Theater Central“ tätig, bis sie nach fast dreißig Jahren ihre Tätigkeit für die Oper Bonn beendet und sich fortan ausschließlich ihren Aufgaben im Mauspfad widmet. Marteaus Frau führt das Theater ganz in seiner geistigen Linie weiter. Bis heute finden ausländische Gastspiele u.a. im Rahmen des Europrogramms und eigene Produktionen in Fremdsprachen im Theater statt.

Im Jahr 2017 gibt Gisela Pflugradt die Leitung des Hauses ab. Ulrike Fischer, die schon langjährig als Dramaturgin im Euro Theater Central tätig war, wird neue Intendantin des Hauses.

Im September 2019 muss das „Euro Theater Central“ die angestammte Spielstätte im Mauspfad räumen. Nach einigen Monaten der Heimatlosigkeit findet sich endlich ein denkmalgeschütztes Gebäude in der Budapester Straße 19. Das Haus stellt eine wundervolle Spielstätte dar und eröffnet neue Perspektiven. Das Einholen der Baugenehmigung für den Umbau eines Wohngebäudes in ein Theater inklusive Theaterbistro entpuppt sich als ein ziemlicher Brocken. Aber dank der Hilfe vieler beteiligter Abteilungen der Bonner Verwaltung, der Unterstützung durch die Politik und natürlich nicht zuletzt durch den Einsatz unseres großartigen Architekten wird auch diese Hürde genommen. Voller Vorfreude und Erwartungen soll es mit dem Umbau losgehen – doch dann pandemiebedingter Stillstand im März 2020.

Glücklicherweise kann aufgrund des Förderprogramms „Neustart Kultur“ der Bundesregierung im Innenhof der neuen Spielstätte eine überdachte, wetterfeste Außenspielstätte errichtet werden. Aus der Not wird eine Tugend und so etabliert sich der Garten als vollwertiger Spielort, auf dessen Bühne neue Inszenierungen entstehen, aber auch Repertoire-Stücke gegeben werden. Geplant ist, dass die Außenbühne auch beibehalten wird, wenn die Renovierungen in den Innenräumen fertig sind. Seit 2023 geht es im Haus wieder Schritt für Schritt voran – ein arbeitsintensives wie spannendes Kapitel in der Geschichte des Theaters.

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„[…] das von Claus Marteau gegründete Haus [macht] mit wenig Geld viel Theater. Die Inszenierungen von […] Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ – seit [über] 30 Jahren auf dem Spielplan – sind legendär. Allerhöchstens 50 Zuschauer können sich darüber wundern, was sich auf einer 38 Quadratmeter kleinen Bühne so alles anstellen läßt. Die bewegliche Podesterie macht es möglich: Ob längs, ob quer oder Guckkasten, das Publikum fühlt sich mittendrin im dramatischen Geschehen.“ (General-Anzeiger)

„Es gehört mit Sicherheit mit zu den ältesten betriebenen Theatern in unserem Lande. Der Begriff freie Szene war noch gar nicht geprägt, da gab es ein paar Theateridealisten, die sich aufmachten auf eigenen Faust ihre Form von Theater zu präsentieren. Überlebt haben von diesen Bühnen der privaten Gründerzeit nur zwei, Helmut Gahmann in Essen und Gisela Pflugradt-Marteau mit ihrem Theater. […] Schon in frühen Jahren begann man Kontakt und Dialog zu internationalen Künstlern aufzunehmen. Das ‘Euro Theater Central Bonn’ hat hierin seinen Ursprung. Toleranz und kultureller Austausch prägen den Spielplan dieses kleinen aber ungemein kreativen Theaters.“ (theater pur)